Erklärungsansätze zur Existenz von Flexionsklassen

Zur Ergründung der Existenz von Flexionsklassen sind bereits zahlreiche Vorschläge gemacht worden (u.a. Nübling 2008, Sternefeld 2008, Wegener 1995, Wiese 2000), wenngleich ein eindeutiger Klassifikationsversuch bis zum jetzigen Forschungsstand ausblieb. Bevor wir jedoch auf ausgewählte Erklärungsansätze zur Existenz von Flexionsklassen und auf Versuche einer systematischen Flexionsklassenzuweisung zu sprechen kommen, soll zunächst auf den Terminus Flexionsklasse eingegangen werden. Wie aus dem Terminus hervorgeht, stehen die Termini Flexion und Klasse in Beziehung zueinander. Mit einem Blick auf die Nominalflexion des Deutschen, die sich durch Numerus- und Kasusflexion auszeichnet, wie z.B. durch den Kasusmarker /-n/ zur Kennzeichnung des Dativs oder den Pluralmarker /-en/, kann die Beziehung zwischen Flexion und Klasse sehr genau dargestellt werden. Durch eine Gegenüberstellung dt. Substantive können Flexionsmuster festgestellt werden, denen bestimmte Substantive zu folgen scheinen. So sind beispielsweise die Nomen Linguist, Buch und Klausur dadurch gekennzeichnet, dass sie sich zum einen im Genus und zum anderen in der Distribution und Wahl der Numerus- und Kasusmarker differenzieren. Eine Ausnahme bildet der Kontext Nominativ Singular innerhalb des nominalen Flexionsparadigmas, der in allen Flexionsklassen einheitlich durch das Nullmorphem /Ø/ wiedergegeben wird (siehe zur Annahme eines Nullmorphems Sternefeld 2008: 54). Wohingegen dem Maskulinum Linguist zur Markierung der Kontexte [akk sg, dat sg, gen sg]  und für alle Kasus im Plural die Flexionsendung /-en/ hinzukommt, ist das Femininum Klausur im Singular durch die Endungslosigkeit ausgezeichnet und lediglich im Plural für alle Kasus durch den Marker /-en/ gekennzeichnet. Das Neutrum Buch zeichnet sich dadurch aus, dass es in den Kontexten [nom sg, akk sg] endungslos bleibt, im Kontext [dat sg] durch den fakultativen Marker (e) wiedergegeben werden kann und im Kontext [gen sg] durch den Marker /-(e)s/. Die Klammernotation beim Schwa und beim /e/ zur Kennzeichnung des Dativs, ist darauf zurückzuführen, dass das Schwa in bestimmten, phonologischen Konstellationen fakultativ ist (vgl. Sternefeld 2008). Das /e/ für die Kennzeichnung des Dativs kann generell weggelassen werden, Sternefeld (2008: 55) spricht von einer echten Fakultativität. Überdies wird der Plural des Neutrums Buch nicht ausschließlich durch die morphosyntaktischen Merkmale ausgedrückt, sondern auch durch die Umlautung, die sich parallel zum nächsten Schritt vollzieht. Denn an das Neutrum Buch werden im Plural, neben dem eben beschriebenen Prozess der Umlautung, die Numerus- und Kasusmarker /-er/ affigiert und zusätzlich im Dativ der Kasusmarker /-n/. Weiterhin muss hier hierarchisch ausgelegten Regelzuweisungen gefolgt werden, um Formen wie *Büch-n-er ausschließen zu können. Der Numerusmarker ist als markierter anzusehen und muss daher vor dem Kasusmarker /-n/ eingesetzt werden.  Aus diesen Flexionsmustern ergibt sich die Annahme zu der Klassifizierung dt. Nomen in Flexionsklassen, wobei alle Nomen, die demselben Flexionsmuster folgen, der gleichen Flexionsklasse zugeordnet werden können.   Nun ist die Einteilung in Flexionsklassen bisher unterschiedlich aufgefasst worden, weshalb wir keine Aussage über die Anzahl der Flexionsklassen machen können, die einen allgemeinen Anspruch auf Gültigkeit erheben kann. Die unterschiedlichen Angaben zu der Anzahl von Flexionsklassen sind dadurch bedingt, dass die methodischen und theoretischen Vorgehensweisen mit der Auseinandersetzung der Flexionsklassen prinzipiell verschieden sind. Sternefeld (2008: 54) beschränkt seine Auswahl auf 10 Flexionsklassen, wobei er sich in seiner Darstellung ausschließlich an den Flexionsmustern orientiert, die aus der Übereinstimmung der Numerus- und Kasusmarker hervorgehen. Dabei berücksichtigt er aus methodischen Gründen nicht die Fälle der Pluralbildung, die auch durch den Umlaut gekennzeichnet sind und nicht ausschließlich durch die Numerusmarker. Anders geht Wegener (1995) in ihrer Arbeit vor, die bei ihrer Flexionsklasseneinteilung die umgelauteten Strukturen bei der Pluralbildung sowie Eigennamen berücksichtigt. Ferner liegt ihr ein anderes Gedankenkonzept als Sternefeld 2008 zugrunde, da sie z.B. die Feminina Hand und Mutter zur gleichen Flexionsklasse rechnet (vgl. Wegener 1995: 148), die bei Sternefelds (2008) Darstellung der Flexionsklassen in zwei unterschiedliche Flexionsklassen zugeordnet werden würden. Die Vorhersagbarkeit von Flexionsklassen im Dt. scheint unergründbar, weshalb wir uns aufgrund der vorhandenen Sprachkontaktsituation zunächst von dieser Thematik distanzieren wollen. Was unsere Belange betrifft, wird in erster Linie der Versuch unternommen ein methodisches Konzept zu entwickeln, das eine regelbasierte Zuweisung von pg. Lehnwörtern in bestimmte Flexionsklassen des Dt. ermöglichen soll. Folglich muss es Ziel dieser Arbeit sein, Generalisierungen über die Integration pg. Lehnwörter in bestimmte Flexionsklassen im Rahmen der Sprachkontaktsituation vornehmen zu können.

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